Essays
Text von Ursula Meyer-Rogge zu Bildern von Steffi Deparade-Becker
Steffi Deparade-Becker
Die Bilder von Steffi Deparade-Becker sind auf eine sanfte, beinah beschwörende Weise vollkommen lautlos, als gingen sie einer Vision nach oder lösten aus einer Tiefe ein Traumbild mit seinen schwachen, sofort zerfließenden Konturen, seiner Instabi- lität und Ortlosigkeit, wenn es an die Oberfläche kommt und damit der Wirklichkeit, also der unmittelbaren Anschauung ausgesetzt ist. Hinter Farbschleiern scheint es zurückzuweichen, sich der scharfen Ordnung von Wirklichkeit zu entziehen und dafür die Elemente zu beanspruchen, Wasser, Luft, Licht mit all ihren irritierenden Spiegelungen und Farbspielen, und sich so das Schwebende, auch Leichte, das Durchlässige, das Dunkle und Empfindliche, den Nachdruck seines Herkommens zu be-wahren.
Wie in eine farbige, oft kühle, manchmal blendend helle, dann dunkle Atmosphäre getaucht, die eine Tageszeit und eine Jah-reszeit suggeriert, oder ein nordisches menschenleeres Land, in dem Himmel, Licht und Wasser auf eine ruhig dramatische Weise sich ins Unendliche steigern – vermitteln die Bilder die Anmutung eines Seelenzustandes, der sich in den Tages- und Jahreszeiten, den sie bestimmenden Farben, der Öffnung der Räume in die Tiefe oder Weite spiegelt, und doch in seinem Grundton gleich bleibt.
Vergleichbar dem Film „Stalker“ des russischen Regisseurs Andrej Tarkowsky aus dem Jahr 1979 scheinen die suggerier-ten Räume in den Bildern von Steffi Deparade- Becker auch Stationen auf dem Weg des Erinnerns, im Wechsel von Helle und Dämmerung, Enge und Weite, mit den tropfenden, zer-fließenden Farb- und Lichtspuren über einer dahinter liegenden Welt, ihren Architektur- und Textfragmenten, Gesichtern und Masken, ihrer Gegenständlichkeit.
In dem berühmten Film von Tarkowsky werden ein Wissen- schaftler und ein Schriftsteller von einem Stalker, gleichsam einem Seelenführer, durch eine verbotene Zone begleitet, eine vom Verfall gezeichnete Industrielandschaft, um an einen be-stimmten Ort zu gelangen, an dem ihre geheimsten Wünsche in Erfüllung gehen.
Die in ruhigen, melancholischen Bildern aufgezeichnete Reise gleicht einer seelischen Expedition, im Rückblick einer selt-samen rätselhaften Prophetie, wenn über den Trümmern jener verfallenen Industrielandschaft sich die Natur in ihrer ganzen Farbigkeit abzeichnet, im Kontrast zum SchwarzWeiß einer zurückgelassenen Alltagswelt .
Über ausgeschnittene Fotos mit ihren Motiven, über Schriftstücke legt die Künstlerin in ihren Bildern Farbe, die den Motiven nachzugehen, sie mit einer Empfindung zu vergleichen scheint, und daraus ein beinah architektonisch aufgebautes Bild- geschehen zu entwickeln, wie eine Antwort.
Das ist besonders. Die Bilder von Steffi Deparade-Becker sind nicht zuerst Aussagen über Farbe, Struktur, Kontrast, also mit einem Farbgeschehen allein bescchäftigt. Sondern sie nehmen einen ursprünglichen, den besonderen, subjektiven Dialog mit ins Bild, der immer Geschichte enthält, und damit Zeit. Nicht Zeit im objektiven Sinn, sondern eben als subjektive Erfahrung, in der Farben sich mit einem Erlebnis verbinden und dadurch einen besonderen Ton haben, den man nicht einfach im Farb-kreis wiederfindet. Für das besondere, das subjektive Erleben mitsamt seiner Geschichte wird man den Farbkreis ersetzen müssen duch einen ganz anderen, in dem die Abfolge der Farben und Farbtöne nicht ihrer optischen Qualität überlassen bleibt, sondern als eine Folge persönlicher Entscheidungen zu lesen ist. Und angehalten wird in einem Bild, in dem der Augenblick Farbe annimmt, sich zur Dauer verlängert, und im selben Moment aufzulösen scheint, durchlässig transparent, und da-durch seine sanfte Magie entfaltet.
Ursula Meyer-Rogge.
Kunsthistorikerin und freie Autorin,Hamburg
Text copyright © bei der Autorin
Text zu Bildern von Steffi Deparade- Becker von Karin Weber (Kunstwissenschaftlerin u. Kuratorin)
„Der unendliche Augenblick“, das ist doch die Ewigkeit der Erinnerung, der Gedanken und Träume, der Apokalypsen und der Lust am Dasein, der Abschiede – ein Schweben.
Die Bildpoesie von Steffi Deparade-Becker impliziert rätselhafte Geschichten und Schichtungen, die ineinander überzugehen scheinen und sich wieder auflösen in Farbschleiern. Momentaufnahmen - ausgewischt, verwischt, gefrorene Zeit. Stille ist gepaart mit Bewegung. Es handelt sich um eine Kunst, die einem reichen Innenleben entspricht, erhaben über zeitliche und räumliche Messbarkeit, die eigenen Gesetzmäßigkeiten verbunden ist. Vertrautes und Imaginäres, Findungen und Erfindungen, Architektur und Landschaft, Atmosphärisches und Abstraktes, eine Kälte und eine Zärtlichkeit sind miteinander verbunden. Es lebt das Prinzip von Makro- und Mikrokosmos in diesen fragilen Irrgärten des Verstandes. Fremdheiten wachsen und schweben und bilden Zusammenhänge, aus denen Steffi Deparade-Becker ihre Wahrheiten destilliert, den verschlüsselten Geheimnissen unserer Seele gleich, in denen wir entfernte Zeiten und Wirklichkeiten gleichzeitig erleben, in denen die Ungleichzeitigkeit des Raumes in Zeitlosigkeit mündet.
Text zu Bildern von Steffi Deparade-Becker von Regina Niemann
Die Bilder von Steffi Deparade-Becker versetzen uns sanft aber zwingend in eine aufmerksame, sensible Stille. Wir kommen dabei nicht zur Ruhe, aber wir müssen uns ihnen zuwenden: schauen - warten - schauen, fühlen, denken, eine Ahnung aufsteigen lassen.
Sonst kämen wir nur an die Oberfläche dieser Kunst. Wendet das Bild sich uns aber zu, dann könnte es zugehen wie beim Alchimisten, der im Feuer Metall schmilzt, wieder und wieder, und damit einen langen Prozess der Reinigung in Gang setzt, der auch ihn selbst ergreift. 3 Elemente prägen diesen Vorgang: das Geistige, das Stoffliche, die Wandlung.
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Text von Frau Dr.phil.Inrid Koch, Kunst -u. Kulturjurnalistin
Die Bildräume der Steffi Deparade-Becker
Horizontale und Vertikale, Helligkeit, Dunkelheit, aufglimmende Lichter, durchbrechende Strahlen im nebligen Grau, Staffelungen in die Tiefe, Verschachtelungen. Man glaubt, hohe Häuser zu entdecken, glaubt, verschiedentlich hinein sehen zu können. Im Dunkel scheint Regennässe zu glänzen. Man wähnt, Spiegelungen zu erkennen. Manche Bildkompositionen wirken „gläsern“, erinnern auch an Vereisung. Manchmal scheint man die Geräusche der Großstadt zu hören, Menschen , die die Straßen entlang hasten, oder auch die Lichtspuren von Autos zu sehen. Man denkt an Städte mit glänzenden Fassaden, aber auch deren Rückseite. Außer Licht zeigen sich viele Tiefen, reichlich Diffusität, alltägliche Ungewissheit anzeigend. Urbanität, „Städtisches“ – so der Titel einer Folge von Arbeiten auf Papier – ist für Steffi Deparade-Becker ein wichtiges, gegenwärtig d a s Thema. Unter ihren Händen entstehen Bilder voller Suggestivkraft, voller Sensibilität und – im sprichwörtlichen Sinn – voller Vielschichtigkeit. Man entdeckt eincollagierte Zeitungs- und Zeitschriftenfragmente. Oft sind sie gerade noch wahrnehmbar, manchmal auch deutlicher sichtbar, manchmal zum Teil wieder entfernt, so mit den zerfransten Rändern der Farbe ein Hindernis bietend. Sie sind eingebettet in gemalte Räume aus Horizontalen und Vertikalen. Die Bilder folgen einer Art architektonischem Prinzip, wirken wie gebaut. Die Farbe ist mal dicker, mal dünner aufgetragen. Sie bildet mal einen Schleier über den Collagen, mal eine Art Wirbel, der zum dynamischen Bildelement wird, mal ist sie als Laufspur sichtbar. Es wechseln Transparenz und Undurchschaubarkeit.
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Der unendliche Moment – Bilder von Steffi Deparade-Becker in der Sächsischen Landesärztekammer