Text zu Bildern von Steffi Deparade-Becker von Regina Niemann
Die Bilder von Steffi Deparade-Becker versetzen uns sanft aber zwingend in eine aufmerksame, sensible Stille. Wir kommen dabei nicht zur Ruhe, aber wir müssen uns ihnen zuwenden: schauen - warten - schauen, fühlen, denken, eine Ahnung aufsteigen lassen.
Sonst kämen wir nur an die Oberfläche dieser Kunst. Wendet das Bild sich uns aber zu, dann könnte es zugehen wie beim Alchimisten, der im Feuer Metall schmilzt, wieder und wieder, und damit einen langen Prozess der Reinigung in Gang setzt, der auch ihn selbst ergreift. 3 Elemente prägen diesen Vorgang: das Geistige, das Stoffliche, die Wandlung.
Ich sehe eine Seelenverwandtschaft zu Per Kirkeby, der von sich sagt: „Als ein Nachkomme Pollocks lebe ich natürlich im Universum des Details. Vielleicht aber dort,… wo man nicht weiß, ob große Dinge kleine Dinge sind, ob etwas ähnlich ist oder nur sein malerischer Stoff.“
In diesem Erlebniskreis locken uns ihre Dinge und ihre Malerei. So gräbt sich in einen Rückenakt mit schwer aufgestütztem Kopf ein bedrohliches Detail in den Hals. „Bedrohung II“ nennt die Künstlerin das Bild. Und der altmeisterlich und modern anmutende gespannte Körper ruft in seinem Umfeld ein paradoxes Gefühl der Faszination an diesem Inkarnat hervor. Immer wieder gleitet der Blick über die Haut, die wellenartig über den oberen Teil des Bildes läuft und leicht, fast schwebend eine bedrohliche Angst verkörpert.
In anderen Bildern finden wir die Disbalance schon in der Konstruktion des Bildraumes, indem uns die Künstlerin die zuverlässige Ebene des Betrachtens verschiebt in ein seltsam berührendes Ungleichgewicht. Blickwinkel, Perspektiven, scheinbare Spiegelungen oder eigenwillig gekippte Ebenen geben der Realität auf dem Bild eine zweite und dritte und manchmal auch irrationale Dimension. Sie erzeugen Gefühle der Unsicherheit, der Sinnenfreude am Ungewöhnlichen, des kurzzeitigen Unbehagens und des Staunens über die sich ständig wandelnde Sicht.
Collagen verselbständigen sich bei näherem Hinsehen als Verschraubung, eine New Yorker Straßenschlucht, als Amöbe; ein Geschwader von Doppeldeckern, Augen in einem verborgenen Gesicht, Gräser in der Spiegelung von Brillengläsern und oft architektonischen Details - und im nächsten Moment sehen wir das nur noch als Farb- und Formelement.
Es erscheint mir schwierig, das wirkliche Geheimnis dieser zunächst so zurückhaltend daherkommenden Bilder in Worte zu fassen. Die Intensität und Kraft ihrer Ausstrahlung beruht auf dem meisterhaften Verschmelzen von Malerei und Collage zu etwas Neuem, Ganzheitlichen. Lichträume, organische Formen, kunsthistorische Zitate, Metall, Haut, Glas, Technik finden ihren Platz wie Wind und Wärme, Kristallenes und Gewebtes, Gedachtes und Gefühltes. Und die Künstlerin scheut sich nicht, ihre zeitgemäße Formsprache in ein Farbkonzept zu fassen, dass ebenso an Rembrandt wie an die Explosion der Farben der Expressionisten erinnert. Aber jeder noch so kleine Raum des Bildes ist ein eigenes in sich geschlossenes Stück der Kunst.
S.D.-B. selbst beschreibt das Fragmentarische, das sie aufgreift, als Sehgewohnheit der Jetztzeit. Aber meine Assoziationen und ästhetischen Erfahrungen führen mich noch in eine andere Richtung: in die selbstverständlich als Realität betrachtete mythische, legendäre und psychische Welt, die z.B. in die Werke von Garcia Marquez oder Goya einfließt; oder sie erinnern an den Umgang mit Farbe, Licht und Raum in expressionistischen Dramen der zwanziger Jahre, von denen sich Toller, Kaiser und Sternheim einen ungeheuerlichen Eindruck auf den Besucher des Theaters erhofften. Oder ich denke an komplexe Wahrnehmungen in allen Kulturen, die mit Natur und kosmischen Kräften noch im Einklang lebten und die in ihrer Kunst eben jene Verschmelzung von Klein und Groß, von Teil und Ganzem, von Gottheit und Mensch offenbaren.
S.D.-B. kommt auf der Suche nach dem tieferen Sinn des Lebens ihrer Wesensart entgegen, in der Welt starker Emotionen und den Kraftfeldern des Rationalen gleichermaßen zu Hause zu sein. Und so gelingt es ihr, kunsthistorische Traditionen zu verinnerlichen, um eine ihren Botschaften angemessene zeitgemäße Kunst zu schaffen.