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Text von Frau Dr.phil.Inrid Koch, Kunst -u. Kulturjurnalistin

Die Bildräume der Steffi Deparade-Becker

 

Horizontale und Vertikale, Helligkeit, Dunkelheit, aufglimmende Lichter, durchbrechende Strahlen im nebligen Grau, Staffelungen in die Tiefe, Verschachtelungen. Man glaubt, hohe Häuser zu entdecken, glaubt, verschiedentlich hinein sehen zu können. Im Dunkel scheint Regennässe zu glänzen. Man wähnt, Spiegelungen zu erkennen. Manche Bildkompositionen wirken „gläsern“, erinnern auch an Vereisung. Manchmal scheint man die Geräusche der Großstadt zu hören, Menschen , die die Straßen entlang hasten, oder auch die Lichtspuren von Autos zu sehen. Man denkt an Städte mit glänzenden Fassaden, aber auch deren Rückseite. Außer Licht zeigen sich viele Tiefen, reichlich Diffusität, alltägliche Ungewissheit anzeigend.  Urbanität, „Städtisches“ – so der Titel einer Folge von Arbeiten auf Papier – ist für Steffi Deparade-Becker ein wichtiges, gegenwärtig d a s Thema. Unter ihren Händen entstehen Bilder voller Suggestivkraft, voller Sensibilität und – im sprichwörtlichen Sinn – voller Vielschichtigkeit. Man entdeckt eincollagierte Zeitungs- und Zeitschriftenfragmente. Oft sind sie gerade noch wahrnehmbar, manchmal auch deutlicher sichtbar, manchmal zum Teil wieder entfernt, so mit den zerfransten Rändern der Farbe ein Hindernis bietend. Sie sind eingebettet in gemalte Räume aus Horizontalen und Vertikalen. Die Bilder folgen einer Art architektonischem Prinzip, wirken wie gebaut. Die Farbe ist mal dicker, mal dünner aufgetragen. Sie bildet mal einen Schleier über den Collagen, mal eine Art Wirbel, der zum dynamischen Bildelement wird, mal ist sie als Laufspur sichtbar. Es wechseln Transparenz und Undurchschaubarkeit.

Die Farbigkeit der Bilder Steffi Deparade-Beckers ist von besonderer Delikatesse. Neben Hell-Dunkel-Kontrasten bestimmen feinste Abstufungen ihre Malerei. Man entdeckt helles bläuliches Grün, manchmal gestellt gegen ein dunkles Grau, fast Schwarz, hin und wieder von einer Spur dunklem Violett veredelt. Es zeigt sich auch mit Weiß abgetöntes Rot oder Orange – ganz zart oft, in jüngerer Zeit auch kräftiger aus dem Dunkel leuchtend.  Helles, mit Weiß getöntes Gelb ist ebenfalls da oder grünliches Grau. Neuerdings hat sich ein wunderbares helles Blau in die Farbskala geschoben, ein Blau, das an den Himmel südlich der Alpen erinnert. Und so ist es vielleicht kein Zufall, wenn man beim Ansehen eines Bildes einmal nicht nur an die Megametropolen dieser Welt denkt, sondern sich in eine historische Schönheit wie Venedig hinein
träumt. Aber auch sie ist ja bekanntlich nicht nur alt und schön, denkt man allein an die sie heimsuchenden Überschwemmungen.

Steffi Deparade-Beckers Bilder haben einen eigenen Klang, der aus einem subtilen und souveränen Umgang mit künstlerischen Mitteln erwächst. Ihr „Handwerkszeug“ erwarb sie sich von 1974 bis 1980 an der traditionsreichen „Burg“, der Hochschule für Kunst und Design Halle-Burg Giebichenstein. Namen wie Crodel, Hahs, Grzimek, Völker, Weidanz haben diesen Kulturraum mit geprägt. Allerdings auch von hier gingen Künstler unter dem Druck der Formalismus-Debatte in den Westen (Bachmann, Knispel) oder wurden durch die offizielle Kulturpolitik an den Rand gedrängt wie der meisterlich-naive Albert Ebert. Andere wie Willi Sitte versuchten eine Entwicklung im vorgegebenen Rahmen. Später – es war die Zeit, als auch Henri Deparade und Steffi Becker in Halle lebten - erregten die veristisch--kritischen Bilder der jungen Hallenser Aufmerksamkeit. In diese Richtung entwickelte sich zunächst auch Steffi Deparade-Becker, die unter anderem bei Frank Ruddigkeit studiert hat. Ab 1983 entstanden erste Collagen. Um 1988 entstandene, dynamische, an Einsturz erinnernde Blätter waren Spiegel innerer Befindlichkeit und der äußeren, „bleiernen“ Zustände. Von diesen Arbeiten führt formal ein Weg ins Heute. Zunächst auf
Papier, seit 2002 auch auf Leinwand, entwickelt die Künstlerin ihre Raum-Assoziationen. Die Bilder sind voller Unbestimmtheit
und Vieldimensionalität, fordern so die Phantasie heraus. Und sie sind eine „Schule des Sehens“. Erst im Dialog zwischen Betrachter
und Werk geben sie ihre unsichtbaren, geistigen Ebenen frei.       

Dresden, 2003

Text: cobyrigth©bei Dr. Ingrid Koch